Bis auf den Soloviolinisten passt in dieser Wagner-Hommage alles.
1976 bearbeitete Hans Werner Henze Richard Wagners 'Wesendonck-Lieder' für Singstimme und Kammerensemble und holte die Musik damit eindeutig in die Post-Schönberg-Ära. Besonders spannend: Hier hören wir die italienische Übersetzung von Arrigo Boito aus dem Jahr 1868. Damit – und nicht zuletzt durch die hier vorliegende Einspielung mit Sara Mingardo – wird Wagner endgültig ‚italianisiert‘. Das klingt von den Texturen, aber auch von den Gesangsfarben ganz anders, viel neuer, südlich-sinnlicher. Die Neuproduktion darf mithin als schlichtweg ideal angesehen werden – nicht nur ist Mingardo bestens bei Stimme und breitet eine Vielzahl an klanglichen und emotionalen Schattierungen und Steigerungen aus, auch das Orchestra di Padova e del Veneto unter Marco Angius treffen den Stil Henzes in vorzüglicher Weise.
Differenziert ausgehört
Doch auch den originalen Wagner beherrscht das norditalienische Orchester bestens – leider wird vom 'Siegfried-Idyll' nicht die Originalfassung von 1870 gespielt, sondern die Druckfassung von 1878 mit größerem Orchester. Die Originalfassung hätte sozusagen die Henze-Bearbeitung komplementiert. Doch auch die vorgelegte Wiedergabe hat ihre Meriten: Das Feingefühl, mit dem die Musik vor uns ausgebreitet wird, in der Orchesterbalance äußerst differenziert ausgehört und klangtechnisch sehr gut abgemischt, die Mischung von öffentlicher Darbietung und privater Intimität wird hier in bestmöglicher Weise dem Hörer vermittelt. Zum Abschluss eine besondere Rarität: die 'Träume' aus den 'Wesendonck-Liedern' in Wagners eigener Fassung für Violine und Kammerorchester aus dem Jahr 1873. Leider ist Massimo Quartas Spiel vibratoüberladen, so dass die Qualitäten der Musik und auch die Herkunft des Werks aus einer Gesangskomposition eher verunklart denn unterstützt werden.
Ins 21. Jahrhundert schließlich führt Salvatore Sciarrinos 'Languire a Palermo (Wagner, melodie ultime)'. 2018/19 entstanden, werden drei nachgelassene Wagner-Fragmente verarbeitet. Die Verwandtschaft zu Wagner wird nicht nur durch das originale Material, sondern auch durch Teile der Verarbeitung (die an Stellen an den Beginn des dritten 'Tristan'-Aktes gemahnt, dennoch ganz weit davon entfernt ist) gewährleistet. Über die Brücke Henze ist auch eine Verbindung ins späte 20. Jahrhundert offenkundig – so bietet diese CD in der Tat eine über mehr als 160 Jahre reichende ‚Wagner-Huldigung', die gleichzeitig nah am Original und doch weit vielfältiger, auch heutiger ist. Auch in diesem Fall erweist sich das Orchestra di Padova e del Veneto unter Marco Angius als erstklassiger Klangkörper, dem man getrost Referenzeinspielungen auch neueren Repertoires anvertrauen könnte.
Jürgen Schaarwächter, 20.08.2021